Der weisse Geist

Es ist März, der arktische Winter ist auf seinem Höhepunkt und wir sind nun schon den dritten Tag unterwegs auf der Suche nach Polarfüchsen. Zu viert durchstreifen wir ein Tal ausserhalb des Städtchens Longyearbyen auf Spitzbergen. Es ist garstig, der kalte Wind pfeift uns um die Ohren und das Vorankommen in Schnee & Eis ist trotz Steigeisen mühsam. Unterwegs sehen wir mehrfach Schneehühner und Rentiere, doch vom weissen Geist fehlte bisher jede Spur. “Dort ist einer!” ruft Sven auf einmal wie aus dem Nichts – und tatsächlich können wir den ersten Blick auf einen Polarfuchs erhaschen! Und er scheint sogar in unsere Richtung zu laufen…

“Wenn wir Glück haben, macht er sich zum Rentier-Kadaver am Taleingang. Frisst er dort, können wir uns vielleicht auf Fotodistanz anschleichen” meint unser Guide. Und so geschieht es dann auch. Der Fuchs bewegt sich scheinbar mühelos an der Talflanke entlang in Richtung Kadaver und wir versuchen im Tal unten einigermassen Schritt zu halten. Natürlich muss ich immer wieder anhalten und Bilder machen, jetzt wo sich uns der weisse Geist endlich die Ehre erweist. Ich habe es mir ehrlich gesagt einfacher vorgestellt, Polarfüchse zu finden und zu fotografieren und habe nach zwei erfolglosen Tagen schon fast die Hoffnung verloren.

Wir haben wirklich Glück, dass unser Guide am Abend zuvor den Rentier-Kadaver entdeckt hat und der Fuchs nun wirklich diesen ansteuert, um sich den Bauch voll zu schlagen. Vorsichtig klettern wir den Hang hoch, machen immer wieder Sicherheitsstopps, um ihn nicht zu stören. Er hat uns sehr wohl im Blick, doch seine Priorität ist nun essen und er lässt uns gewähren, bis wir uns schlussendlich in etwa 30 Meter Distanz einrichten und fotografieren können. Wow, was für ein Moment! Mein Herz pocht wie verrückt (…und das liegt nicht nur am strengen Aufstieg) und ich verliere jedes Zeitgefühl. Fast 45 Minuten sollen wir bei ihm oben gewesen sein, erfahre isch später.

Bereits im Sommer 2021 erfüllte sich mir in Island ein grosser Wunsch, als ich zum ersten Mal einen Polarfuchs in freier Wildbahn sehen durfte. Und doch hatte ich immer diesen Traum im Hinterkopf von einem Portrait des Fuchses in seinem flauschig Winterfell, umgeben vom sanften Weiss der Winterlandschaft… Es hat einiges an Zeit und Durchhaltevermögen erfordert und als ich schon fast nicht mehr daran glaubte, erfüllte sich mein Traum doch noch! Definitiv ein weiteres Highlight in diesem fotografisch gesehen unglaublich schönen Jahr 2023.

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