Obwohl in der Schweiz geschätzte 10’000 (!) Wildschweine leben, bekommt man sie verhältnismässig selten zu sehen. Das liegt wohl daran, dass sie sehr zurückgezogen und verborgen leben. Ihre Spuren sind jedoch kaum zu übersehen: Mit der Schnauze voran pflügen sie den Waldboden oder Felder regelrecht um auf der Suche nach Fressbarem. .
Ihre Lieblingsspeise sind eigentlich Bucheckern und Eicheln, doch nicht selten vergreifen sie sich auch an Karotten, Mais oder sonstigen “Menschenfutter”. Kein Wunder also, sind Wildschwein-Rotten bei Bauern keine gern gesehenen Gäste…
Für mich als Naturfotografin gehören sie aber schon länger zu jenen einheimischen Arten, die ich unbedingt einmal fotografieren möchte. Die besten Chancen rechnete ich mir im Seeland aus – einerseits, weil ich dort an verschiedenen Orten mehrfach eindeutige Spuren entdeckt habe und andererseits auch Bekannte habe, die dort schon Tiere gesichtet haben. Doch wie so oft will es nicht auf Anhieb klappen…
Im Februar 2022 habe ich tatsächlich zum ersten mal ein Wildschwein in freier Wildbahn beobachten dürfen, jedoch nicht annähernd in Fotodistanz. Davor und danach gab es unzählige erfolglose Versuche. Bis es am vergangenen Samstag dann endlich klappte! Zwar war die Distanz nach wie vor relativ gross, aber das tat meiner Freude keinen Abbruch, als ich im Morgengrauen beobachten durfte, wie immer mehr Schwarzkittel aus dem Schilf hervor traten. Ganze neun Tiere konnte ich zählen – Erwachsene und Halbwüchsige:
Da ich am Mittwoch unverhofft frei habe und die Wetterprognose vielversprechend aussieht, beschliesse ich spontan, mein Glück am selben Ort gleich nochmals zu versuchen. Bereits auf dem kurzen Fussmarsch zu meinem Plätzchen, wo ich den Tieren auflauern will, ahne ich, dass es ein magischer Morgen werden könnte! Es regnet noch leicht und Nebelschwaden hängen in der Luft, doch in der Wolkendecke bilden sich bereits erste Löcher. Rund eine Stunde vor Sonnenaufgang habe ich mich positioniert und warte gespannt ab. Und tatsächlich darf ich eine fantastische Morgenstimmung miterleben und ich bereue es schon ein wenig, dass ich “nur” das grosse Tele dabei habe, denn diese Nebelstimmung würde sich durchaus auch für Landschaftsfotografie anbieten.
Mit dem Feldstecher scanne ich immer wieder die Landschaft ab und plötzlich steht es vor mir: ein Wildschwein aus nächster Nähe! Und es wird noch besser: ein zweites Tier zottelt hinterher. Ich bin beeindruckt, wie lautlos sie aus dem Schilf heraus getreten sind. Sie mustern mich kurz und stecken bald schon wieder ihre Nase in den Boden und pflügen sich ins nächste Schilfstück, wo sie wiederum lautlos verschwinden. Ich habe die ersten Bilder im Kasten und ordentlich Herzklopfen.
Doch das solls noch nicht gewesen sein für heute: wenig später – die Nebelstimmung immer noch unglaublich schön – sehe ich in der Ferne ein weiteres Wildschwein! Dieses hat es im Gegensatz zu den vorherigen beiden eilig. Weshalb oder wovor es wegrennt, habe ich nicht mitbekommen und ich hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken, sondern halte einfach nur drauf und hoffe, die doch noch etwas lange Verschlusszeit möge ausreichen. Die Bildrückschau verrät mir bereits: ich habe soeben mein Lieblingsfoto des heutigen Tages geschossen:
Bald darauf löst sich der Nebel langsam auf und macht dem ersten direkten Sonnenlicht Platz. So ein wunderschöner Morgen und ich bekomme tatsächlich nochmal eine Zugabe: ein viertes Wildschwein tritt aus dem Schilf, dieses Mal noch näher als die anderen Beiden! Wow, was für ein Anblick! Einziger Wehrmutstropfen: dieses Tier trägt eine fette, leuchtend gelbe Plakette im Ohr. Im Wissen, dass ich bereits einige Fotos im Kasten habe, ziehe ich es hier nun vor, das Tier einfach nur zu beobachten. Kurz bevor es sich dann aber wieder ins Schilf verabschiedet und das gepiercte Ohr abgewendet ist, schiesse ich doch noch ein letztes Bild:
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