Auf der Via Bregaglia durch das Bergell

Wieder einmal verschlägt es mich ins Graubünden. Dieses Mal weit abgelegen, fast schon nach Italien. Dort versteckt sich ein kleines Paradies, sowohl für Wanderer wie auch für Kulturinteressierte: das Bergell! Da ich eher zur Sorte „Kulturbanause“ gehöre, aber dafür umso lieber wandere, nehme ich euch ein Stück mit über die Via Bregaglia, einem historischen Fernwanderweg, der auch bei nicht ganz idealen Wetterbedingungen mit einigen Highlights aufwarten kann. Wanderschuhe schnüren, Regenjacke einpacken und los geht’s!

Gian und Giachen haben mich als Angebotstester ins Bergell eingeladen. Das nehme ich natürlich gerne an und wir machen uns  auf die lange Reise nach Maloja. Dort angekommen, können wir  primär mal das launische Wetter testen. Resultat: ja, der Regen ist auch hier ziemlich nass. Im Hotel Longhin werden wir von den jungen Gastgebern mit einem leckeren Abendessen verwöhnt. Genau das Richtige, um dem Wetter zu trotzen und einen Verdauungsspaziergang mit der Kamera an den See zu wagen.

 

Gletschermühlen, Bärenspuren und grandiose Aussicht am Torre Belvedere

Die Regenklamotten haben wir Tags darauf bereits beim Torre Belvedere wieder im Rucksack verstaut. Auf dem Weg hoch zu diesem markanten Turm erkunden wir die zahlreichen Gletschermühlen. Zwischen kleinen Hochmooren und Bergföhren verstecken sich insgesamt 36 dieser von Eis und Fels geformten und zum Teil mit Wasser gefüllten Löcher – europaweit einzigartig! Das ganze Gebiet steht unter dem Schutz von ProNatura, welche auch im Turm selbst eine Ausstellung eingerichtet haben. Während man Stufe um Stufe auf die Aussichtsplattform hoch klettert, kann man unterwegs einiges über die Rückkehr des Braunbären erfahren. Zuoberst angekommen, kann man dann auch nachvollziehen, warum es Meister Petz hier so gefällt: im Osten der Silsersee und die markanten Engadiner Gipfel, im Westen das mit Wolkenfetzen durchzogene Bergell – was für eine grandiose Landschaft!

 

Steiler Abstieg nach Vicosoprano

Wir haben den höchsten Punkt unserer Wanderung also gleich zu Beginn erklommen. Von nun an geht es abwärts – anfangs gleich etwas ruppig. Der steile Pfad ist wegen der Regenfälle ziemlich rutschig und ich staune nicht schlecht, als wir unterwegs einen Biker antreffen. Wir nehmen es gemütlicher und geniessen den schon fast herbstlichen Märchenwald. Bei Cavril treffen wir auf die Passstrasse und folgen dem nun flacheren Wanderweg Richtung Casaccia. Unterwegs können wir die Ruinen von San Gaudenzio bestaunen, einer Wallfahrtskirche aus den Zeiten Karl des Grossen. Kurz nach Casaccia hat man die Wahl zwischen dem Talweg oder dem Abzweiger auf den Sentiero Panoramico. Wir bleiben zunächst im Tale und wandern entlang des Flusses Fiume Maira zu unserem Etappenort Pranzaira. Das etwas ausserhalb von Vicosoprano liegende Hotel befindet sich direkt an der Talstation zur Albigna-Seilbahn, weshalb sich ein kurzer Abstecher hoch in die wilde Bergeller Bergwelt anbietet.

 

Abstecher zur Capanna da l’Albigna

Die Gegend um den Albigna-Stausee dürfte vor allem Klettern ein Begriff sein, ist es doch zweifelsohne eines der schönsten Klettergebiete der Schweiz. Die Seilbahn (unter der Woche zur Zeit wegen Umbau nur eingeschränkter Betrieb, Infos hier) bringt einem direkt an den Fuss der mächtigen Staumauer. Von dort sind es etwa eine Stunde Aufstieg zur Capanna da l’Albigna, wo auch jene ohne Kletterfinken und Seil gemütlich auf der Sonnenterrasse ein Zvieri geniessen können – mit bestem Blick auf die Fiamma, das Wahrzeichen des Bergells.

 

Auf dem Sentiero Panoramico nach Soglio

Für die heutige Etappe wollen wir auf den Panoramaweg wechseln, wofür wir zunächst rund 400 Höhenmeter nach Durbegia aufsteigen müssen. Entgegen den Wetterprognosen beginnt es schon wieder leicht zu regnen. Die Naturfahrstrasse ist zwar angenehm, um Höhe zu gewinnen, jedoch nicht sonderlich attraktiv. Dies ändert sich kurz nach Durbegia schlagartig: Die Strasse weicht einem hübsch angelegten Pfad, der über Stock und Stein und vorbei an zahlreichen Wasserfällen, mehr oder weniger der Höhenkurve folgt. Unterwegs eröffnen sich immer wieder tolle Tief- und Ausblicke ins Tal, welche wir dank stetig besser werdendem Wetter auch immer wie mehr geniessen können. Bei Parlongh wärmen uns dann tatsächlich die ersten Sonnenstrahlen – perfekt für eine kleine Pause auf dem einladenden Bänkchen zwischen den alten Steinhäusern. Während wir unsere Sandwiches verputzen, können wir quasi zuschauen, wie die Blumenwiese zu neuem Leben erwacht: es summt und brummt wie verrückt; Heuschrecken, Schmetterlinge, Bienen und Hummeln – alle scheinen sie die wiedererwachte Sonne zu begrüssen!

 

Das schönste Dorf der Schweiz?

„La soglia del paradiso“ sagte der Maler Giovanni Seganti einst über das Dörfchen Soglio. Was für ihn die Schwelle zum Paradies war, ist für uns leider schon das Ende unseres Via-Bregaglia-Abenteuers. Auch wenn etwas Wehmut mitschweift – es hätte keinen perfekteren Zielort geben können! Einer Sonnenterrasse gleich, thront das pittoreske Dörfchen über dem Tal, bietet beste Aussicht auf die imposanten Gipfel der Sciora-Gruppe und verzaubert mit seinem herzigen Häusern und Gässchen jeden Besucher. Wie um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, sind wir im altehrwürdigen Hotel Palazzo Salis einquartiert; dort wo einst Ritter und Burgherren eingekehrt sind. Während ich im prächtigen Garten sitze und diese Zielen schreibe, kann ich nur allzu gut nachvollziehen, wie sich grosse Dichter wie Rainer Maria Rilke hier haben inspirieren lassen. Und um abschliessend einen Sprung aus vergangen Tagen zurück in die Moderne zu machen: Soglio kämpft aktuell in einem Online-Voting um den Titel „schönstes Dorf der Schweiz“ – meine Stimme habt ihr!

 

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