Ich sitze in meinem Campingstuhl und schaue etwas abwesend auf den Fluss. Die Sonne ist bereits hinter einem der imposanten Berge verschwunden und der Tag neigt sich dem Ende zu. Ob nochmals ein Bär vorbei kommt? Es war ein toller Tag heute mit vielen schönen Begegnungen. Plötzlich knistert es neben mir im Gebüsch. Ich blicke über die Schulter und mir schauen drei Bären entgegen. Ich springe aus meinem Stuhl auf und ziehe mich ruhig, aber bestimmt zurück…
“Bears have the right of way” steht in der Einfahrt zum Campingplatz. Und ja, ich will ihnen definitiv nicht den Vortritt streitig machen! Aber ich freue mich doch über jede Sichtung. Drei Jahre lang habe ich darauf hingefiebert, an diesen fantastischen Ort zurück zu kehren, nach dem ich im 2019 zuletzt hier war. Und nun ist es also soweit und ich darf bei schönstem Herbstwetter wieder diesen fantastischen Tieren zuschauen.
Der Grund, weshalb hier momentan so viele Bären unterwegs sind, ist der “Salmon Run”: im Herbst ziehen die Lachse vom Ozean zu ihren Laichgewässern ins Landesinnere. Sie schwimmen bis zur totalen Erschöpfung die Flüsse hoch und sind dabei – so brutal es klingt – leichte Beute für Bären. Und im Übrigen auch für manch andere Tiere wie Seeadler, Wölfe, Füchse, Möwen und sonstige Vögel. Besonders Bären und Wölfe schleifen ihre Fänge auch gerne weg vom Fluss in den Wald, wo die Überreste dann für Pilzkulturen, Würmer, Insekten und Pflanzen als Nahrung oder natürlicher Dünger dienen. Lachse sind also für das gesamte Ökosystem einer Region kritisch.
Für die Bären ist diese Zeit die letzte Gelegenheit, sich vor dem baldigen Winterschlaf nochmals so richtigen den Bauch voll zu fressen. Wobei man aktuell noch gar nicht glauben mag, dass der Winter bald Einzug erhält. Es ist heute nämlich 26 Grad warm – und dies Ende September! Normalerweise ist die Region ja eher bekannt für Regen als für Sonnenschein – der Name “Great Bear Rainforest” kommt nicht von ungefähr. Doch so sind mir dieses Jahr auch an ein paar Aufnahmen bei schönstem Morgenlicht geglückt, worüber ich mich natürlich besonders freue.
Ihr fragt euch nun vielleicht noch, wie die eingangs erwähnte Situation mit den drei Bären im Gebüsch ausgegangen ist? Nun, weit weniger dramatisch, als man denken könnte: die beiden Jährlinge (Jungtiere aus dem letzten Jahr) haben sich sofort, nach dem sie mich sahen, zurückgezogen. Die Bärenmutter zottelte gemütlich an meinem Campingstuhl vorbei in den Fluss. Was will sie auch von mir oder dem Stuhl, wenn hier unten das Buffet angerichtet ist?! Langsam und vorsichtig schleiche ich mich also auch wieder in Richtung Fluss und kann noch ein schönes Portrait von ihr schiessen, während sie den nächsten Lachs verputzt.
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