Vesterålen: Paradies im hohen Norden

Etwas im Schatten ihrer bekannten Nachbaren, den Lofoten, liegen die Vesterålen etwa 300km über dem Polarkreis vor der Küste Norwegens. Wir konnten die vom Massentourismus bisher weitgehenst verschonte Inselgruppe Ende Herbst während ein paar Tagen erkunden und haben bei dieser Gelegenheit auch gleich den Winter gefunden.

Bereits auf den Lofoten hatte ich mein Teleobjektiv dabei, doch lag der Fokus dort ganz klar auf der Landschaftsfotografie. So hoffe ich, dass mir die nächsten Tage das ein oder andere Wildtier über den Weg laufen mag. Besonders die Vogelwelt finde ich im hohen Norden immer faszinierend, mit Arten, die es bei uns überhaupt nicht oder nur selten gibt. Eine davon ist der Singschwan, den man hier gefühlt an jedem Tümpel entlang der Strasse sieht. Allerdings sind sie dann auch relativ schnell weg, wenn man anhält und versucht sich anzunähern. Da ist dieser Vogelbeobachtungs-Turm, an dem wir zufällig vorbei kommen, ein richtiger Glückstreffer! Aus der Deckung können wir mehrere Singschwäne bei der Nahrungsaufnahme in einem herbstlich braunen Sumpf beobachten – ein toller Kontrast zu dem weissen Gefieder dieser eleganten Vögel.

Nach einem ersten Zwischenstopp in der Region Sortland wollen wir weiter nordwärts. Wir sind früh unterwegs an diesem Morgen und werden mit Frost und leichtem Schneefall begrüsst. In der Ferne ragt bereits der Reka (605m) auf, ein prägnanter, anspruchsvoll zu besteigender Berggipfel. Wir begnügen uns damit, ihn von hier unten aus zu fotografieren und finden eine hübsche Ecke: am Ende des Fjordes hat sich bereits eine geschlossene Eisschicht über dem Wasser gebildet und sorgt für schöne Vordergründe. Das erste Morgenlicht tut sein Übriges:

Wir wollen vorallem die beiden Hauptinseln Langøya und Andøya erkunden. Eigentlich sind die paar Tage, die wir dafür zur Verfügung haben, definitiv zu wenig, um der vielseitigen Schönheit der Landschaft gerecht zu werden. Anders als auf den Lofoten findet man hier nicht unbedingt eine Handvoll (Foto-)Spots auf kleinstem Raum wie beispielsweise um Reine, wo man gut und gerne einen Tag lang zu Fuss mit der Kamera unterwegs sein kann. Auf den Vesterålen ist alles viel weitläufiger. Das heisst einerseits: mehr & längere Strecken fahren, andereseits aber auch: Einsamkeit! Besonders jetzt im Spätherbst scheint sich hier so ziemlich alles langsam auf den Winterschlaf vorzubereiten. Auf Andøya findet sich beispielsweise der wunderschöne Sandvika Beach; wir haben ihn den ganzen Tag für uns alleine und können dramatische Lichtsituationen festhalten. Bestimmt muss es hier bei klarem Himmel auch genial für Nordlichter sein!

Das Wetter ist übrigends auch hier oben recht launisch. Das bringt die geografische Lage einfach mit sich. Und ganz ehrlich: genau solche Lichtstimmungen und Wetterwechsel suchen wir Fotografen ja auch, oder? Die bekommt man auf den Vesterålen dann manchmal auch ganz unverhofft beim rumfahren. Mit etwas Glück findet sich auch gleich noch ein Stelle, wo sich gut anhalten lässt und so kann man einige “Souvenirs” von unterwegs knippsen. Ansonsten bleibt einem nichts anderes übrig, als zu geniessen und die Stimmungen und Ausblicke in Gedanken zu speichern.

Unser nördlichstes Ziel ist der Hauptort Andøyas, das Fischerstädtchen Andenes. Die Gegend hier hat extrem viel zu bieten. Als einer der Topspots für Whale Watching sind die Chancen auf Buckelwale, Orcas etc. hier dermassen hoch, dass die Tourenanbieter eine 100% Garantie auf Sichtungen geben. Bekanntlich gehört ja leider Norwegen auch noch zu einem der wenigen Ländern, in denen kommerzieller Walfang betrieben wird. Und anders als zum Beispiel in Island, wird das Fleisch auch tatsächlich von den Einheimischen verspeist und nicht nur “experiementierfreudigen” Touristen serviert. Solche Walbeobachtungs-Touren sind eine wertvolle Alternative, wirtschaftlichen Profit aus Walen zu ziehen, ohne dass diese ihr Leben dafür lassen müssen. In Island wird mittlerweile mehr Geld verdient mit Wal-Beobachtungstouren als mit Walfang – insofern hat (Massen-)Tourmisus manchmal auch gute Seiten…

Doch zurück nach Norwegen: nur zu gerne würde ich so ein Safariboot besteigen. Wir haben auf den Lofoten von der Küste aus bereits Orcas erspähen können. Sie hier aus der Nähe zu sehen, wäre ein Traum! Doch ist es zu stürmisch und auch die nächsten Tage ist kein Schönwetter-Fenster in Sicht. So wird diese Walsafari verschoben auf unbestimmt und wir denken uns ein Alternativprogramm aus: wandern! Wir wollen den Måtinden erklimmen, ein fantastischer Aussichtsgipfel hoch über dem nahe gelegenen Bleik. Den Strand von Bleik haben wir bereits gestern Nachmittag und in der Nacht besucht und durften sogar nochmals das Nordlicht bewundern. Was diesen Strandabschnitt so schön macht, ist der Blick auf den pyramidenförmigen Vogelfelsen Bleiksøya. Und von oben muss das sicher noch cooler aussehen!

Also machen wir uns früh morgens auf durch den Sumpf – das ideale Schuhwerk sind hier Gummistiefel. Das habe ich in den vergangenen Wochen in Norwegen gelernt, haha. Und sie schlagen sich auch im späteren, felsigen Teil der Wanderung erstaundlich gut. Je höher wir kommen, desto kälter pfeifft uns der Wind um die Ohren. Ich bin mittlerweile ganz froh, nicht auf dem Walsafari-Boot zu sein. Den der Blick in die Ferne schaut in der Tat recht ungemütlich aus: mehrere Regen-/Schneefronten steuern auf uns zu. Der Weg ist zum Glück aber einfach und wir erreichen trotz widrigen Umständen in etwas mehr als zwei Stunden den Gipfel. Und wow, was soll ich sagen: das Panorama ist wirklich eine Wucht! Die frisch angezuckerten Berghänge geben gerade noch das gewisse Etwas, der Kontrast mit dem türkisblauen Wasser schaut fantastisch aus. Und auch das Wetter zeigt sich wieder von seiner besten Seite – jedenfalls fotografisch gesehen: Nebel und Niederschlag wechseln sich ab und für einen kurzen Moment kommt sogar das Licht durch!

Für den anschliessenden Abstieg erkenne ich dann an, dass es “besseres” Wetter geben würde. Die Wegfindung gestaltet sich durch den Neuschnee ebenso schwierig wie zeitweise das Atmen, weil mir der Wind mit voller Wucht frontal ins Gesicht peitscht. Eine Bergtour bei solchen Verhältnissen ist zugegebenermassen vielleicht etwas am Limit (…von den Gummistiefeln sprechen wir hier besser nicht mehr…), aber je mehr Höhe wir verlieren, desto “angenehmer” wird es wieder. Irgendwann ist der Abstieg geschafft, wir ebenso, jedoch um ein eindrückliches Erlebnis reicher. Es war rückblickend das Highlight unseres Kurztrips auf die Vesterålen. Ich bin aber sicher, dass die Inselgruppe noch einiges mehr zu bieten hätte (gerade, was das Wandern anbelangt!) und hoffe, dies bald bei einer nächsten Gelegenheit erkunden zu dürfen!

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