“Alles zugefroren, Eisi weg…” tippe ich an einem kalten Februar-Morgen als Textnachricht in mein Handy. Es wäre ein perfekter Tag für mein Wunschbild: dicke Flocken fallen vom Himmel, das Licht ist neutral und ausser mir ist niemand sonst im kleinen Naturschutzgebiet. Nur eben auch kein Eisvogel mehr…
Einige Monate vorher habe ich mir vorgenommen, mich diesen Winter etwas näher mit dem Eisvogel zu beschäftigen. Ich mache mir gerne solche Fotoprojekte, besonders in der Tierfotografie, wo ich mich dann über längere Zeit intensiv mit einer Art beschäftigen kann und versuche, diese möglichst schön und kreativ abzulichten. “Eisvogel im Schneegestöber” war hier mein Wunschbild: der bunte Vogel soll schön freigestellt auf einem eingeschneiten Ast hocken, um ihn herum Schneeflocken und ein neutraler Hintergrund.
Exakt dieses Bild habe ich leider nicht bekommen. Am nächsten kommt wohl dieses hier, welches sowohl mir selber sehr gut gefällt als auch auf meinen Social-Media-Seiten Anklang fand:
Gerne erzähle ich in diesem Blog etwas näher, wie ich während diesem kleinen Winterprojekt vorging und wie ich schlussendlich zu diesem und weiteren Bildern kam.
Sich mit der Art beschäftigen
Eisvögel sind in der Schweiz in tieferen Lagen eigentlich weit verbreitet – überall dort, wo (fliessende) Gewässer ihnen Nahrungsgrundlagen bieten. Trotzdem bekommt man sie eher selten zu Gesicht. Sie sind klein, trotz ihrem bunten Federkleid erstaunlich gut getarnt und vorallem: pfeilschnell! Meist hört man sie eher, bevor man sie sieht. Das kann man sich jedoch zu nutzten machen, denn wenn man sich den auffälligen “Ziiiii”-Pfiff einmal eingeprägt hat, ist er unverwechselbar und ein eindeutiger Nachweis für ein Vorkommen im jeweiligen Gebiet.
Hat man einen Eisvogel entdeckt, ist die Chance sehr hoch, ihm am selben Ort wieder zu begegnen: sie sind sehr standorttreu und territorial. Meist lebt ein einzelnes Tier, selterner auch ein Pärchen, in seinem Winterrevier, welches es nötigenfalls lauthals und aggressiv gegen Artgenossen verteidigt. Das Revier muss ausser genügend Nahrung (primär kleine Fische, aber auch Krebstierchen oder Wasserinsekten) und ein paar Büschen oder Bäumen mit Ansitzästen nicht allzuviel bieten. Ich habe schon Eisvögel an erstaunlich urbanen und belebten Stadtbächen oder Quartierteichen gesehen…
Hat man so einen fliegenden Diamant erspäht, lassen sich Alter und Geschlecht ganz einfach bestimmen, und zwar anhand des Schnabels: ist dieser komplett schwarz, handelt es sich um ein Männchen. Beim Weibchen ist der untere Teil des Schnabels orange, beim Jungtier ist die Schnabelspitze noch weiss.
Geeignete Orte finden und rekogonstieren
Damit habe ich bereits im Herbst begonnen. Ich habe mir diverse Eisvogel-Reviere ausgesucht und angesehen. Diese habe ich dann nach Kriterien wie Ereichbarkeit (idealerweise max. 1h Anreise), “Störfaktoren” (Menschen, Hunde, andere Fotografen etc.), Ansitzmöglichkeiten und Zutraulichkeit/Toleranz des Eisvogels “sortiert”. Übrig geblieben sind schlussendlich zwei Orte, welche ich dann bei entsprechendem Winterwetter immer wieder besucht habe.
Die richtige Ausrüstung – Tarnung ja oder nein?
Für flinke, kleine Vögel braucht es primär zwei Dinge: eine schnelle Kamera und genügend Brennweite. Bei ersterem bin ich gut aufgestellt, bei zweitem so naja: mein XF 200mm f/2.0 ist auch mit 1.4-fach Konverter eher an der unteren Grenze. Während man mit einem 150-600mm Telezoom bei wenig schüchternen Exemplaren sein Glück auch mal pirschend versuchen kann, musste ich also irgendwie näher ran kommen. Und so bin ich dann auf ein für mich relativ neues Thema gekommen: Tarnung. Durch Empfehlungen befreundeter Fotografen bin ich rasch beim niederländischen Hersteller Buteo gelandet und habe mir ein kleines Tranzelt inkl. Schneeüberwurf sowie ein weisses Tarnnetz zugelegt. Beides hat seine Vor- und Nachteile: für lange Ansitze an feucht-kalten Wintertagen ist ein Zelt eigentlich bequemer. In vielen Naturschutzgebieten dürfen diese aber nicht aufgestellt werden und so kam auch bei mir hauptsächlich das flexiblere Tarnnetz zum Einsatz.
Dass es im Winter ganz schön kalt werden kann beim Rumsitzen, versteht sich von selbst. Mehrere Schichten Kleider, gute (!) Handschuhe und eine Thermosflasche heisser Tee helfen hier. Auch finde ich beim Ansitz ein Stativ unverzichtbar – ich hatte je nach Sitzposition sowohl das “normale” Gitzo als auch das Berlebach Mini im Einsatz.
Die Herausforderungen
Ich musste bald einmal merken, dass bei meinem Projekt relativ viel zusammen stimmen muss. Anders als beispielsweise bei der Wasseramsel-Fotografie hatte ich hier ein konkretes Wunschbild im Kopf. Und dieses war stark wetterabhängig. Man glaubt ja gar nicht, wie oft sich der von den Wettervorhersagen prognostizierte Schneefall schlussendlich nur als Regen entpupt! Und wenn es dann endlich mal schön geschneit hat, sass ich mit ziemlicher Sicherheit in Bern im Büro und schaute sehnsüchtig zum Fenster hinaus… Am eingangs erwähnten Tag wären die Bedingungen perfekt gewesen, doch die anhaltende Kälteperiode hat dem Eisvogel buchstäblich die Nahrung tiefgefroren. Er ist weitergezogen. Möglicherweise kommt er nochmals zurück, doch die schneereichen Wintertage dürften für diese Saison vorüber sein…
Das Fazit
Ist mein Projekt also gescheitert? Jein. Wenn man es nur am “Zielfoto” misst, dann wohl ja. Für mich ist dies jedoch mehr eine Leitplanke, nie aber die Hauptmotivation. Ich versuche bei meinen Fototrips und -projekten stets das bestmögliche mitzunehmen und kann mich meist an den Resultaten erfreuen, auch wenn diese nicht dem ursprünglichen Ziel entsprechen.
Ausserdem möchte ich all das, was ich in dieser Zeit erlebt habe, nicht missen! Ich denke da beispielsweise an den einen Tag, wo ich doch tatsächlich – wohl noch etwas schlaftrunken – ohne Speicherkarte losgezogen bin und es erst im Naturschutzgebiet gemerkt habe. Zum Glück war ein anderer Fotograf vor Ort, der mir mit einer Ersatzkarte aushelfen konnte. Und den ich später immer wieder mal angetroffen habe und über Vögel und Fotografie fachsimpeln konnte. Oder an den einen Tag, wo sich der Eisvogel nicht sonderlich kooperativ zeigte, ich aber stattdessen zum ersten mal überhaupt Rötelmäuse sah und fotografieren konnte.
Statt gefrustet zu sein, etwas nicht erreicht zu haben, erfreue ich mich über das, was ich erreicht (und erlebt!) habe. Ich hoffe, ihr könnt euch an den folgenden Bildern auch erfreuen – und wer weiss, vielleicht folgt das “Eisvogel im Schneegestöber”-Bild ja dann nächsten Winter 🙂
Hallo Mel
Mit viel Freude habe ich Deinen Beitrag zum Eisvogel gelesen. Ich hatte mir für diesen Winter genau dasselbe Vorgenommen. Mein Vorhaben ist wie bei Dir, infolge der sehr tiefen Temperaturen gescheitert.
Ich begleitete in meinem bevorzugten Naturschutzgebiet den Eisvogel seit Mai 2020. Zeitweise begegneten wir uns beinahe täglich. (Beim Fotografieren oder beim Joggen)
Ich hatte das Gefühl der kannte mich.
Einmal setze er sich vor mir auf einen Ast, dass die Naheinstellgrenze des Fuji 100-400 zu klein war, dies alles ohne Tarnung.
Im September setzte ich mir zum Ziel ein Foto pro Woche vom Eisvogel zu machen.
Bis Ende November funktionierte mein Vorhaben, doch dann begann es zu stocken.
Der Eisvogel wechselte sein Revier innerhalb des Naturschutzgebietes. Da ich mich aber sehr intensiv mit dem Kerlchen beschäftigt habe, konnte ich Ihn nach kurzer Zeit wieder aufspüren.
Oftmals bevorzugen Sie ja Jagdgebiete wo fliessende auf stehende Gewässer treffen und genau so war es.
Bis Mitte Januar konnte ich Ihn weiter beobachten und fotografieren. Dann wurde es immer kälter uns seit dem 17.01.2021 fehlt nun jede Spur von ihm.
Jede freie Minute verbringe ich weiterhin im Naturschutzgebiet mir der Fotografie. Obwohl ich mit meinem Vorhaben gescheitert bin, gilt meine grösste Sorge jedoch dem kleinen blauen Diamanten. Ich hoffe so sehr, dass er den Winter überlebt und ich bald wieder sein Pfeiffen wahrnehmen darf.
Am Samstag konnte ich balzende Haubentaucher bei bestem Licht fotografieren. Der Frühling ist also nicht mehr weit und somit hoffentlich bald auch die Rückkehr des Eisvogels.
Liebe Grüsse aus dem Kanton Uri
Markus
Hoi Markus
Vielen Dank für deinen Besuch und den netten Kommentar. Das klingt ja auch nach einer ganz schönen Geschichte! Hoffe wirklich auch, dass es dem Kleinen gut geht. Dieser Winter war zeitweise glaubs schon etwas hart für unsere Wildtiere. Sie freuen sich sicherlich jetzt auch auf den Frühlig – genauso wie wir Fotografen 🙂
Liebe Grüsse und immer gut LIcht
Mel
Sind doch auch schöne Bilder – ein Eisvogel ist mir noch nie vor die Linse gekommen! Eine Frage zu den Naturschutzgebieten, da ist es ja nicht erlaubt, die Wege zu verlassen.. ich wurde kürzlich ziemlich zurechtgewiesen, als ich 100m neben dem Weg einem Fuchs gefolgt bin. Da käme mir gar nicht in den Sinn, ein Tarnzelt aufzustellen, ich wüsste nicht wo – auf dem Weg machts ja wohl nicht viel Sinn 😉 Wie hast Du es gemacht ?
Weiterhin gute Bilder wünscht
Ruedi
Hoi Ruedi
Danke für deinen Besuch und das Lob!
Ja, das ist tatsächlich so, in den meisten Naturschutzgebieten ist das Aufstellen von Tarnzelten verboten. Ich weiche dann entweder auf andere Gebiete aus (…manche Tiere sind z.b. in urbaneren Regionen auch weniger scheu / einfacher zu fotografieren, weil sie besser an den Menschen gewöhnt sind…) oder verzichte auf umfangreiche Tarnung.
Für die Eisvogel-Fotos aus dem erwähnten Naturschutzgebiet habe ich mich einfach naturfabig angezogen, ein kleines Tarnnetz über mich geworfen und (gefühlt ewig) stillgesessen. Leider habe ich davon kein Making-of Bild… 🙂